BEM attraktiv gestalten

Die Staatstheater Stuttgart arbeiten an dem Ziel, dass 75% der BEM-Anspruchsberechtigten sich auf eine Einladung zu einem BEM-Erstgespräch zurückmelden. Die Staatstheater Stuttgart verfolgen das Ziel, das nach Abschluss der BEM-Prozesse der Integrationserfolg zu 95% erfüllt ist. Es ist also möglich, BEM so zu gestalten, dass Beschäftigte die länger als 6 Wochen im letzten Jahr krankheitsbedingt ausfielen, durch BEM wieder in dem Unternehmen integriert werden und produktiv sich einbringen.

Dem Leitfaden für Kennzahlen war ein Praxisprojekt des Studienbereiches Gesundheitsmanagement der Hochschule Aalen in Kooperation mit den Staatstheatern Stuttgart vorangegangen.

Nachfolgend einige Gründe, warum das Praxisprojekt so erfolgreich war:

Ø BEM und Unternehmenspolitik > Projektziele > Unternehmensführung und die zweite Führungsebene nehmen BEM als wichtige Aufgabe wahr und stehen dahinter.

Ø Die Staatstheater Stuttgart verfügen über eine schriftliche Dienstvereinbarung zum BEM, in welcher Verantwortung und Befugnisse schriftlich festgehalten und bekannt gemacht werden.

Ø Dem Sozialreferat werden ausreichend Ressourcen (Personal, Budget, Räume etc.) zur Verfügung gestellt.

Ø Ziel des Sozialreferates: Die Mitarbeiter*innen des Sozialreferats verfügen über fachliche Kompetenzen zum BEM und bilden sich regelmäßig fort.

Ø Weiteres Ziel des Sozialreferates: Es werden die Voraussetzungen geschaffen, als vertrauensvolle Anlaufstelle wahrgenommen zu werden. Der Umgang mit Daten und Akten aus BEM-Prozessen ist gesetzeskonform (DSGVO).

Ø Es existierte ein schriftlicher Vorgehensplan. Es wurde ein Integrationsteam gebildet

Ø Dieses Integrationsteam trifft sich mindestens vierteljährlich, um die Umsetzung der Aufgaben und Ziele, welche in der DV BEM festgelegt sind, zu erörtern und zu überprüfen.

Ø Für jede*n Mitarbeiter*in wird eine individuelle Bedarfsklärung durchgeführt. Mit Hilfe eines Eingliederungsplans werden realistische, individuelle Ziele und Maßnahmen festgelegt.

Ø Die Fallmanager beenden den BEM-Prozess nicht direkt nach Erreichen der vereinbarten Ziele, sondern bleiben anschließend noch ein halbes Jahr lang in Kontakt mit den BEM-Berechtigten, um den Erfolg des BEM zu sichern.

Zu dem was BEM-Beauftragte können sollten, kommt empathische Gesprächsführung hinzu. Immerhin sind es die BEM-Beauftragten, die die ersten vertrauensschaffenden 4-Augengespräche führen. Ich empfehle deshalb, dass BEM-Beauftragte eine Ausbildung in Systemischer Gesprächsführung erhalten.

Vor allem in der Belegschaft gilt es Misstrauen abzubauen. Hier kann Information und Aufklärung viel Positives bewirken. Die Gleichsetzung von Krankenrückkehrgesprächen mit BEM sollte unbedingt vermieden werden. Bei der Online-Befragung zur DBG-Studie wurde gefragt welche Faktoren bezüglich BEM hemmend sind.

Als hemmende Faktoren wurden nachfolgende Punkte genannt:

Ø Misstrauenskultur (Angst vor Arbeitsplatzverlust)
Ø Gesundheitsthemen haben weniger Priorität als Alltagsgeschäft
Ø Betriebsinterne Ablauf- und Betriebsstrukturen (unklare Zuständigkeiten)
Ø Mangel an Kommunikation
Ø Wissens-/Kenntnisstand

Auf die Frage, welche fördernden Faktoren oder Ressourcen bezüglich BEM bestehen, wurde folgendes Fazit erzielt.

Ø Vertrauenskultur, vor allen zu den Beschäftigten bildet die Basis.
Ø Ein gut eingeführtes betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) unterstützt BEM.
Ø Impulsgeber/ Schlüsselpersonen können BEM voranbringen.

Derzeitige Sachlage

Um festzustellen, was verbessert werden sollte bzw. was verbessert werden kann, möchte ich einige Feststellungen aus den oben genannten Studien vorstellen.

Eine Erwerbstätigenbefragung der BAuA im Jahre 2018 hat ergeben, dass nur durchschnittlich 40% der BEM-Berechtigten von Ihrem Arbeitgeber ein BEM-Angebot erhalten haben. Es ist auch ersichtlich, dass größere Betriebe (mehr als 250 Beschäftigte) und der Öffentliche Dienst mit 50%, öfters zu einem BEM-Gespräch einluden.

Die DGB Studie RE-BEM von 2016 stellte fest, dass es einen Zusammenhang von Betriebsgröße und eingeführten BEM gibt. Knapp 64% der Unternehmen, die ein BEM praktizieren, beschäftigen mehr als 500 Mitarbeiter. 45% in dieser Kategorie planen ein BEM. Dagegen ist in der Unternehmensgröße bis zu 100 Mitarbeiter bei nur 7% ein BEM eingeführt und praktiziert, bei etwa 17% ist die Einführung geplant.

In der DGB Studie „RE-BEM“ von 2016 wurde eine Online-Befragung durchgeführt. Bei der Befragung wurde zwischen Planer (planen derzeit BEM), Praktiker (praktizieren BEM) und kein BEM unterschieden. Aus den Gruppen „Planer“ und „Praktiker“ erhielt man viele wertvolle Informationen

Nachfolgende Aussagen kamen aus den Gruppen „Planer“ und „Praktiker“ und sind für die Fragen: „Wie können Arbeitgeber/ Unternehmen ein attraktives BEM implementieren bzw. anbieten?“ und „Was sollten Unternehmen tun, damit alle Beschäftigten BEM als Chance und Angebot sehen und nutzen?“ relevant.

Ø Die erste Voraussetzung, um erfolgreich BEM zu implementieren ist die positive Einstellung der Akteure. (Geschäftsführung).
Ø Kritiker sind in der Phase „vor Implementierung von BEM“ häufiger. Nach der Implementierung werden die Kritiker weniger. Kritiker findet man in der Planungsphase vor allem unter den Beschäftigten und Führungskräften.
Ø Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Unternehmensgröße und implementierten/ nicht gelebten BEM. Je größer die Organisation, desto wahrscheinlicher ist BEM implementiert/ wird praktiziert.
Ø Ein BGM erweist sich als gute Voraussetzung für ein BEM
Ø Betriebsvereinbarung (BV/DV) zum BEM sind in kleinen Unternehmen mit bis zu 50 MA am seltensten vorhanden. Auffällig ist bei allen Unternehmensgrößen die schwache Thematisierung der Maßnahmen-Finanzierung, der Zielerreichung und der BEM-Mitarbeiter-Qualifizierung.
Ø Sowohl Planer als auch Praktiker fühlen sich nicht ausreichend geschult und äußerten den Wunsch nach mehr Qualifizierungsmöglichkeiten.

Ø Nur ein kleiner Teil der BEM-Beauftragten hat bei der Einführung eine Schulung/ Qualifizierungsmaßnahme bekommen. Ausreichend geschult fühlten sich, nimmt man den Durchschnitt aller befragten BEM-Beauftragten, nur 37,9%. Insgesamt meinten 29,6%, dass die Schulungen bezüglich BEM besser sein könnten.

In der Planungsphase sind es vor allem die Interessenvertretungen und die Schwerbehinderten-Vertrauenspersonen, die bei der Implementierung von BEM unterstützen.

Bei den Praktikern ist die Geschäftsleitung mit 57,8% auffällig oft im Funktionskreis BEM vertreten. Dies macht vor allem dann Sinn, wenn diese Personen Entscheidungsträger sind. Danach folgt die Personalabteilung mit 48,5% und Schwerbehinderten-Vertrauenspersonen mit 47,4%

Im Praxis-Bericht der BAuA „Die Rückkehr gemeinsam gestalten“(A106) wird ein 4-Phasen-Modell der Wiedereingliederung vorgeschlagen. Das 4-Phasen-Modell bietet einen klar strukturierten Prozess für eine nachhaltige Rückkehr an den Arbeitsplatz. In der 1. Phase wird mit dem BEM-Berechtigten eine vertrauensvolle Basis (unter 4-Augen) aufgebaut. Die 2. Phase ist ebenfalls eine ausschließliche Planungsphase mit weiteren Akteuren im BEM-Prozess.

Die 3. Phase ist die tatsächliche Wiedereingliederung. Hier geht es um die Umsetzung der Wiedereingliederung, um die Rückkehr in ein Arbeitsteam. In diesen Prozess einbezogen werden können außerdem Coaches. Stabilisierende Coaching-Gespräche sind vor allem dann sinnvoll, wenn Zurückkehrende durch Unsicherheiten, Ängste oder Konflikte belastet werden.

Die 4. Phase ist die Nachsorge und dient der Sicherung der Nachhaltigkeit. Nachhaltige Leistungs- und Arbeitsfähigkeit sichern und Rückfälle gilt es zu vermeiden. Dem BEM-Berechtigten sollte in der 4. Phase Vertrauenspersonen, ggf. ein Systemischer Coach für auftretende Krisensituationen zur Verfügung stehen.

Stufenweise Wiedereingliederung (STWE)

Mitarbeiter haben laut § 74 SGB V und § 44 SGB IX, ein Recht auf eine stufenweise Wiedereingliederung. BEM-Berechtigte, Unternehmen und BEM-Beauftragte sollten STWE als Chance sehen und nutzen.

RTW = Return-to-work

Soll die Rückkehr gelingen sind gut geschulte und verständnisvolle Führungskräfte notwendig. Dem BEM-Berechtigen muss immer wieder durch sein Arbeitsumfeld signalisiert werden, dass er willkommen ist. Das Mindset von Kollegen, Kolleginnen und Vorgesetzten ist hier ausschlaggebend. Es gilt, nicht (wieder) in alte (negative) Muster/ Verhaltensweisen zu verfallen.

Präventive arbeitsgestaltende Maßnahmen runden das Ganze ab. Möglichweise wurde in der 3. Phase (tatsächliche Wiedereingliederung) der Arbeitsplatz anders gestaltet (Tätigkeit, Ausstattung, Arbeitszeitmodell, äußerliche Faktoren etc.).

Selbstwirksamkeit

Die Überzeugung, berufliche Aufgaben meistern zu können und im alltäglichen Umgang mit anderen Menschen, diesen gewachsen zu sein, ist ebenfalls ein wichtiger Baustein einer gelingenden Wiedereingliederung. Hier sind regelmäßige Feedbackgespräche mit der Führungskraft und begleitendes systemisches Coaching hilfreich.

Wie anfangs schon festgestellt wurde, besteht ein gravierender Unterschied zwischen großen Unternehmen, oder auch Behörden und kleinen und mittelständischen Unternehmen. Je größer die Organisation, desto wahrscheinlicher ist BEM implementiert/ wird praktiziert. Dies hängt auch damit zusammen, daß in größeren Unternehmen betriebliche Interessenvertretungen, SBV, Betriebsräte und Personalräte stark bis sehr stark vertreten sind.

Es ist verständlich, dass kleine und mittelständische Unternehmen dem Thema Betriebliches Gesundheitsmanagement und Durchführung von BEM nicht Priorität 1 einräumen. In Zeiten des Demografischen Wandels und des Fachkräftemangels könnten vor allem KMUs genau damit punkten. Neben der gesetzlichen Verpflichtung zu BEM zeigte sich, dass in Betrieben in denen BEM durchgeführt werden, die älteren Mitarbeiter länger und öfter in ihren Betrieben verbleiben. 

In der Vergangenheit wurde externe Unterstützung durch BGM-Berater in der Planungs- und Vorbereitungsphase wenig in Anspruch genommen. Auch hier zeigt sich, dass kleinere Unternehmen am wenigsten diese Hilfe in Betracht ziehen.

Sowohl in großen als auch in mittelständischen Unternehmen könnte ein*e externe*r BGM-Berater*in die BEM-Akteure beraten, bzw. stellvertretend Aufgaben bezüglich BEM übernehmen.

Besonders in kleineren und mittelständischen Unternehmen könnte ein*e externe*r BGM-Berater*in sowohl Betriebliches Gesundheitsmanagement als auch BEM implementieren.

Unternehmen profitieren dadurch, dass die Fehlzeiten sich verringern, da weniger krankheitsbedingte Rückfälle in der Folge entstehen. Das Betriebsklima verbessert sich, da die Beschäftigten sich wahrgenommen und wertgeschätzt fühlen. Das Firmenimage kann durch BGM und einem praktizierten BEM verbessert werden. Durch den „besseren Ruf“ kann die Mitarbeitergewinnung erleichtert werden. Dem Fachkräftemangel wird dadurch entgegengewirkt.

Betriebliches Eingliederungsmanagement nützt also allen Unternehmen. Es gilt die Vorteile von BGM und BEM vor allem der Geschäftsführung bzw. den Unternehmern nahezubringen. Viele Unternehmen haben dies auch schon erkannt, wissen aber noch nicht konkret, wie dies umgesetzt werden kann. Hier können externe Berater, die viel Wissen bezüglich BGM und BEM besitzen, sehr unterstützen.

Externe Berater*innen können für Unternehmen je nach Beauftragung ein existierendes BEM-Team leiten oder auch nur beraten und unterstützen. Vor allem in KMUs könnten externe Berater die BEM-Gespräche führen (Outsourcing).

Gut ausgebildete BGM-Berater*innen mit zusätzlicher systemischer Ausbildung würden diese Gespräche emphatisch, wertschätzend, neutral und damit Vertrauen gewinnend führen.

Die Kosten sind für KMUs überschaubar. Damit würden nicht nur die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Zudem können sehr fokussiert nur erfolgsversprechende Förderungsmaßnahmen und BEM eingeführt werden.

Unternehmen die BEM-Gespräche führen signalisieren an ihre Belegschaft, dass sie zukunftsorientiert handeln und das ihr Unternehmen/ ihr Betrieb/ ihre Geschäftsführung an der Gesundheit ihrer Mitarbeiter interessiert sind. Die Belegschaft fühlt sich wertgeschätzt. Das größte Kapital eines florierenden Unternehmens sind seine (gesunden) Mitarbeiter!

Fazit zu Arbeitgeber/ Unternehmen und den Fragen: Wie können Arbeitgeber/ Unternehmen ein attraktives BEM implementieren bzw. anbieten? Was sollten Unternehmen tun, damit alle Beschäftigten BEM als Chance und Angebot sehen und nutzen?

Ø Positives Mindset der Geschäftsführung und der zweiten Führungsebene bezüglich BEM.
Ø BEM-Funktionskreis bilden, Unterstützer und Entscheider sitzen im Funktionskreis.
Ø Regelmäßiger Austausch des BEM-Gremiums > Planung BEM > Nachhaltigkeit.
Ø BV/DV, in welcher Verantwortungen und Befugnisse schriftlich festgehalten sind. (möglichst mit zeitlichem und finanziellem Budget).
Ø Schulungen und Qualifizierung der BEM-Beauftragten am Anfang der Tätigkeit. BEM-Beauftragte werden/sind gut geschult.
Ø Passende Räumlichkeiten für BEM-Gremium und dem BEM-Beauftragten.
Ø Regelmäßig wird über interne Kanäle über/zu BGM/ BGF-Angeboten und BEM berichtet.
Ø Freiwilligkeit > dies wird firmenintern auch so kommuniziert.
Ø Evaluierung > Der Erfolg von BEM kann anhand weicher und harter Kennzahlen und Indikatoren gemessen werden.

Welche Vorteile bieten Externe BGM-Berater*innen? Welchen Nutzen haben Unternehmen, wenn Sie eine*n externen BEM-Beauftragten hinzuziehen/nehmen?

Ø Belegschaft in KMUs sollen/dürfen sich auf ihre Aufgabe konzentrieren. KMUs haben nicht die personelle Kapazität, um jemanden ausschließlich für BEM zu beauftragen/ abzustellen.
Ø „Kümmerer“ müssten vorher geschult/ qualifiziert werden. Dies sind zeitliche und finanzielle Ressourcen. Externe BGM-Berater kosten auch nicht mehr.
Ø Qualifizierte, externe Berater*innen bringen ein umfassendes BGM-Wissen mit.
Ø Qualifizierte externe Berater*innen können die Geschäftsleitung in allen Belangen zu BGM, BGF, BEM beraten.
Ø Mit einer zusätzlichen Systemischen Ausbildung kann der/die externe Berater*in stets neutral, wertfrei (vorurteilsfrei) agieren. Das Angebot wird von der Belegschaft besser/eher angenommen.
Ø Durch verringerte Fehlzeiten kann Überlastung der Belegschaft vermieden werden. Qualifizierte, externe Berater*innen analysieren für Sie die größten Fehlzeitenursachen und beraten hierzu. (Z. B. Arbeitsplatzanalyse, Psychische Gefährdungsbeurteilung).
Ø Durch verringerte Fehlzeiten können die Gesamtkosten gesenkt werden.
Ø Firmenimage wird angehoben (externe Berater*innen können die betriebsinterne Berichterstattung zu Angeboten bezüglich BGM und BEM übernehmen).
Ø Betriebsklima kann sich verbessern (Wertschätzung). Qualifizierte, externe Berater*innen helfen Ihnen dabei.
Ø Wertgeschätzte Mitarbeiter fühlen sich ernstgenommen und bringen sich produktiver ein > Produktivitätssteigerung.
Ø Potenzielle Fachkräfte finden Unternehmen mit BGM und BEM nachweislich attraktiver.

Quellen die mir Zahlen, Daten, Fakten lieferten

BAuA Praxis: Die Rückkehr gemeinsam gestalten (A106)
BIBB-BAuA-37: Umsetzung des betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM)
Erwerbstätigenbefragung der BAuA im Jahre 2018
DGB Bildungswerk Dokumentation9_Studie_RE-BEM
Kennzahlenkonzept BEM am Beispiel Staatsoper Stuttgart

Bilder: Pixabay.com

Copyright: Manauela Li Ranzi - Eine weitere Veröffentlichung bedarf der Genehmigung durch Manuela Li Ranzi, Partnerin JB smart consult

 

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